Die Entwicklung des Schützenwesens in unserer Heimat
Der Ursprung des Schützenwesens verliert sich im Dunkel der Geschichte. Ob es im Mittelalter im Hochstift Paderborn ein ländliches Schützenwesen gegeben hat, ist nicht bekannt, es steht aber
fest, dass schon vor dem Dreißigjährigen Kriege Marodeure und Freibeuterscharen das Paderborner Land beunruhigten und den Landesherren zur Selbsthilfe bewogen. Diese bestand unter anderem in der
Reorganisierung der althergebrachten Schützenordnungen.
Dazu berichtet A. Gemmeke in seiner „Geschichte des adligen Damenstiftes zu Neuenheerse": Am Ende des Jahres 1590 wurde das Paderborner Land unerwartet aufs höchste beunruhigt. Plötzlich fielen
nämlich holländische Freibeuter ein unter dem Grafen Oberstein. Am 30. Dezember nahmen sie Delbrück und raubten und plünderten nicht nur die Bewohner aus, sondern verübten auch empörende
Gräueltaten. Dann zogen sie weiter nach Anreppen, Scharmede, Bentfeld, Elsen, Wewer, Obern- und Niederntudorf, Haaren, Böddeken, Geseke. Fürstbischof Dietrich flüchtete auf die Burg Dringenberg.
Um die üblen Gäste loszuwerden, traf er mit ihnen ein Abkommen und zahlte ihnen 11000 Reichsthaler, worauf sie abzogen. — Im Jahre 1591 wurde der Paderborner Landtag auf dem Schonloh bei
Dringenberg gehalten, wobei aber für die größere Sicherung des Landes nichts erreicht wurde. Schon Anfang 1593 erschienen wieder holländische Freibeuter auf dem Sintfelde, bei Büren und
Salzkotten. Es hieß sich also vorsehen, und da andere Hilfe nicht zu hoffen war, musste man sich selbst helfen. In dieser Zeit der Bedrängnis entstand die Schützenbruderschaft zu
Neuenheerse.
In seiner Heimatchronik „Schwaney" (1963) ergänzt Heinz Küting diese Schilderung mit einem interessanten Hinweis: „Als am 21. Januar des Jahres 1601 holländische Freibeuter das Dorf Benhausen
überfielen, fanden sich unter den Verteidigern, die sich wie die Wölfe wehrten und den Eindringlingen eine denkwürdige "Hasenhatz" bereiteten, auch Schwaney er Bauern." Zumeist werden die Bauern
jedoch den kürzeren gezogen haben, da sie in der Ausrüstung und vor allem in der Führung den Söldnerscharen unterlegen waren. Es ist anzunehmen, dass damals auch in Erpentrup-Langeland eine
Schützengilde bestanden hat. Nun geriet aber während des Dreißigjährigen Krieges das Schützenwesen aus verständlichen Gründen in Unordnung. Daher finden wir in vielen Orten nach 1648 neue
Schützenordnungen. So stellte 1655 die Neuenheerser Äbtissin einen neuen Schützenbrief aus. Die damaligen Schützenordnungen gleichen sich in allen wesentlichen Punkten, woraus zu schließen ist,
dass der Paderborner Landesherr eine „Mustersatzung" angeboten hat. Hierher gehört auch der Erpentrup-Langeländer Schützenbrief von 1672,
In der Folgezeit wurden die Bauernschützen von der Obrigkeit gerne auch zu anderen Aufgaben, besonders polizeilicher Art, herangezogen, aber nicht nur zur Vagabundenjagd und Gefängnisaufsicht,
sondern auch als Flurschützen und Markenpolizei (Schnadgang). Von der „Verthättigung (Verteidigung) des Vaterlandes", wie es beispielsweise 1609 in den Statuten der Sandebecker noch geheißen
hatte (Dr. J. Prinz in „Westfälisches Schützenwesen") wie auch im Erpentrup-Langeländer Schützenbrief von 1672, ist dann nicht mehr die Rede.
Ein Beispiel für die Tätigkeit der Schützen als Hilfspolizei bietet der bereits oben angeführte A. Gemmeke: „So hatte einmal der Gerichtsfron des Stiftes in Altenheerse eine Kuh gepfändet. Der
säumige Schuldner kam aber nach Neuenheerse, bugsierte die Kuh aus dem Pfandstall und führte sie wiederum nach Altenheerse. Darauf wurde ein kleines Schützenkommando abgestellt, welches die Kuh
samt dem Schuldner wieder herbrachte. — 1733 werden Schwaneyer Schützen, wie Heinz Küting berichtet, in eine Geldstrafe genommen, weil sie einen festgenommenen Borgentreicher Bürger haben
entweichen lassen.
Das Fest ihres Patrons feierten sie mit großem Aufwand, oft war damit das Vogelschießen oder Schützenfest verbunden. Dass die Schützen schon früh eine Ehrenwache bei Prozessionen für das
Allerheiligste stellten, hebt auch A. Gemmeke hervor, indem er unter Hinweis auf das modifizierte Reglement der Neuenheerser Schützen (1786) betont, dass nun wegen früherer Auswüchse
(Trunkenheit) nur noch eine Rotte der Schützen mit Führer und Fähnrich vor dem Hochwürdigen Gut einherschreiten soll, während die übrigen Schützen ohne Gewehr anzutreten haben.
Alles in allem wird es im Paderborner Land nicht anders gewesen sein als im übrigen Westfalen, wo „in und kurz nach Kriegszeiten man sich der als notwendig erkannten Pflicht nicht entziehen
mochte, und sicherlich übte auch das Vogelschießen nach wie vor auf alt und jung seinen gleichbleibenden Reiz aus. Indes vierteljährliche Musterung und tagelanges Exerzieren waren ohne Zweifel
nicht nach dem Geschmack des mit Arbeit reich, dagegen mit freier Zeit nur knapp bedachten Bauern" (J. Prinz). Im Übrigen ließ die Entwicklung des Militärwesens zum stehenden Berufsheer die
wehrtechnische Bedeutung der ländlichen Schützenvereine im 18. Jahrhundert immer mehr schwinden. Im gleichen Maße wie das Interesse der Bevölkerung am Wehrsport abnahm, wandte sich der Sinn der
Schützen dem „Gelage" zu, dem Festessen, das nach Angabe von J. Prinz im Paderborner Land des 18. Jahrhunderts dort, wo es noch keinen Schützenverein gab, geradezu der einzige Grund zur
Errichtung eines neuen Vereins gewesen ist.
Erpentrup-Langeländer Schützenbrief von 1672
Der in einer Abschrift beim heutigen Schützenverein Erpentrup-Langeland-Hohenbreden erhaltene Schützenbrief von 1672 zeigt uns noch die patriarchalische „heile Welt" des Dorfes, die von einer
mühseligen Landwirtschaft und Viehzucht und kleinem Handwerk unter dem adeligen Gutsherrn bestimmt war. Wir finden keine Spur von der „guten alten Zeit", die eine spätere Sozial-Romantik dem
Landleben andichtete. Der heutige Schützenverein ist ein Muster dafür, wie die plurale Welt der modernen Landgemeinde, in der die Landwirte die Minderheit bilden, unter dem Dach gemeinsamer
Belange zusammengehalten werden kann, und zwar nicht nur als Feiergemeinschaft, sondern auch als Motor für gemeinsame Aufgaben.
Der nachstehende Schützenbrief von 1672 wird unter Verzicht auf altmodische Formulierungen nur inhaltlich wiedergegeben:
Die Erpentruper und Langeländer Schützen, seit undenklichen Jahren von ihrem Landesfürsten zur Verteidigung des Vaterlandes verpflichtet, hatten 1672 ihren Junker Gabriel von Schilder als ihren
gebietenden Gerichtsherrn gebeten, gleich den Nachbarorten das Exerzitium des Scheibenschießens in die Hand zu nehmen und dabei allemal eine ehrbare Zehrung und Schützengelag zu gestatten.
Gerichtsherr von Schilder hat ihnen darauf eine Schützenordnung (Schützenbrief) ausgestellt und mit seiner Petschaft gesiegelt. In der Einführung zu den insgesamt 15 Artikeln erklärt sich jeder
Schütze bereit, zwei Scheffel Gerste als Mitgliedsbeitrag auszutun. Davon soll am Dreikönigstag Bier spendiert werden und schließlich, wenn der Vorrat soweit angestiegen ist, ein Gelage beim
Scheibenschießen veranstaltet werden. Vorrang vor der Bierspende haben jedoch eine Kerzenspende für die Kirche an den Vierhochzeitenfesten und schwarzes Münstersches Tuch, das beim Begräbnis
eines Schützen verwandt wird. Abschließend heißt es in der Einleitung zu den 15 Artikeln, daß fortan niemand mehr in die Bruderschaft aufgenommen werde, der nicht auf diesen Schützenbrief
verpflichtet worden sei.
Im I. Artikel wird gefordert, daß nur Bürger mit ehrlichem Lebenswandel in die Bruderschaft aufgenommen werden können. II. wird verlangt, dass der Schütze zum Scheibenschießen mit eigenem Gewehr
auf den Trommelschlag vor dem Wirtshaus in seinem Ehrenkleid erscheine. III. hat der Schütze mit Andacht dem Gottesdienst beizuwohnen. IV. ist im Glied und beim Scheibenschießen Ordnung zu
halten. Bei Ungehorsam ist der Führer befugt, den Widerspenstigen mit einem Knüppel in das Glied zu bringen. V. soll nach dem Scheibenschießen ein jeder Schütze mit seiner Ehefrau oder einem
Gaste, welcher ihm von den Richtern, Dechen oder Schäffern zugebilligt ist, im Wirtshaus erscheinen, aber alle seine Gewehre, sei es Messer oder Pauke zu Hause lassen. VI. darf kein Schütze einen
Fremden in das Schützengelage einführen. VII. Um Unordnung zu vermeiden, sollen die Schützen mit ihren Nachbarn anstoßen und nicht „vorbeitrinken". VIII. Kinder sollen zu Hause bleiben. Doch
dürfen Mägde und große Kinder Kleinkinder herbringen, damit diese „an der Mutterbrust gespeist" werden. IX. Der Schützen Trinkgeschirr darf nicht mit nach Hause genommen oder verwahrlost werden.
Wer ein Trinkgeschirr zerbricht, muss dem Bankmeister einen Fürstengroschen reichen. Wer soviel Bier vergießt, dass es mit einem Fuß nicht bedeckt werden kann, muss ebenfalls einen
Fürstengroschen zahlen. X. Auf ehrbaren Tanz ist großer Wert zu legen. XI. Nach neun Uhr abends soll kein Bier mehr an Schützen ausgegeben werden, bei gebetenen Gästen ist eine Ausnahme
gestattet. XII. Den Gästen, es sei Adel oder Unadel, ist mit aller Ehr und gutem Willen zu begegnen. Wer dagegen verstößt, wird bestraft. XIII. Durch friedfertiges Verhalten sollen die
Schützenbrüder ihrem Namen Ehren machen. XIV. Die Teilnahme an einem Schützenbegräbnis ist Ehrensache. Wer sich ohne Not weigert, wird bestraft. XV. Bei der Aufnahme in die Schützenbruderschaft
ist eine Tonne Bier zu spendieren und dem Gerichtsherren oder der Ortsobrigkeit mit Handschlag Treue zu geloben.
(c) Die Texte stammen aus den Festschriften 300 / 325 Jahre der jeweiligen Jubiläumsfeste.